Eine der grundlegenden Fragen der Philosophie ist die Frage, wie sich die Sprache zur Wirklichkeit verhält. Was steht bei dieser Frage auf dem Spiel? Es geht darum, wie wir über unsere Erfahrungen sprechen und sie anderen Menschen mitteilen können. So mitteilen, dass die Anderen das Gesagte nachvollziehen und verstehen können. Es geht dabei auch um die Frage, ob das, was wir sagen, dem Worüber unserer Rede angemessen ist.
Was Martin Heidegger die "formale Anzeige" nennt, ist für ihn die Art und Weise, wie sich die Philosophie mitteilen muss. Nur mithilfe der formalen Anzeige könne das, worüber diese Philosophie spricht, als es selbst unverdeckt in den Blick gebracht werden. Für Heidegger zählt dabei primär das, was etwas ist: dessen Sein. Dieses Sein könne nur formalanzeigend zur Sprache gebracht werden. Heidegger würde sogar behaupten, dass vom Verständnis der formalen Anzeige auch das Verständnis der Philosophie abhinge.
Heideggers formale Anzeige wurde deshalb auch als "Geheimwaffe", als "Schlüssel" zum Verständnis Heideggers Philosophie (Kisiel) und als etwas "für sein ganzes Denken Gültiges" (Gadamer) beschrieben. In diesem Buch wird geklärt, was die formale Anzeige ist und wie sie funktioniert. Gefragt wird nach dem Verhältnis zwischen Wort und Sache.
Die Anfänge der formalen Anzeige sind dort aufdeckbar, wo nicht ausdrücklich von ihr die Rede ist. Sie diente in der ersten Phase ihres Auftretens dazu, den Blick auf alltägliche Erlebnisse von theoretisierenden Einschlüssen freizuhalten. Sie wird vorgestellt als ein Kontrastmodell zu den wissenschaftlichen Methoden, die sich nach Heidegger dadurch auszeichnen, dass sie objektivierend sind und in dieser Objektivierung den Erlebnischarakter alltäglicher Erfahrungen zerstören. Um dieser „Objektivierungstendenz“ entgegenzuwirken, muss die formale Anzeige auf ein jeweiliges Ich verweisen, das im Erleben und Erfahren immer in irgendeiner Weise mit dabei ist. Im ersten Teil dieses Buches wird herausgearbeitet, dass dieser Verweis auf das jeweilige Ich einen explikativen Charakter trägt. Die formale Anzeige übernimmt zunächst die Funktion, auf die Situation des Einzelnen und damit auf die Zugangsvoraussetzungen der Philosophie aufmerksam zu machen.
Im zweiten Teil wird die Notwendigkeit dieser Explikation und damit die der formalen Anzeige als philosophischer Methode erläutert und begründet, indem über die Ruinanz (der Vorläufer der „Verfallenheit“) gesprochen wird. Dort wird die Idee Heideggers diskutiert, dass das Philosophieren gegen diese Ruinanz und gegen die Verfallenheit gerichtet sein muss. Ich werde dies den prohibitiven Charakter der formalen Anzeige nennen.
Im dritten Teil wird mit dem Verweis auf Sein und Zeit eine späte Entwicklung der formalen Anzeige dargestellt, die erklären soll, wie die „Applikation“, d.i. die spezifische philosophische Verstehensleistung, verstanden werden muss. Ein gegen die Ruinanz gerichteter Verstehensvollzug dient der Freilegung bzw. dem Sehen- und Seinlassen der Phänomene. Dargestellt wird das mithilfe einer Erörterung der methodischen Funktion der „Angst“. Dieser dritte und letzte Charakter wird als der transformative Charakter der formalen Anzeige bezeichnet.
Diese verschiedenen Stränge werden im vierten Teil zusammengeführt, in welchem geklärt wird, wie die formale Anzeige funktioniert. Das Verstehen der formalen Anzeige wird dort als eine Verwandlung der Undurchsichtigkeit der Uneigentlichkeit in die Durchsichtigkeit der Eigentlichkeit erklärt. Mit dem Aufweis der drei Charaktere der formalen Anzeige – ihres explikativen, prohibitiven und transformativen Charakters – ist die Rekonstruktion Heideggers formaler Anzeige an ihrem Ziel.
Im fünften Teil spreche ich in größtmöglicher Allgemeinheit über die sprachphilosophischen Implikationen von Heideggers formaler Anzeige. Es handelt sich dabei um Überlegungen zur Begriffs- und Bedeutungstheorie und zur philosophischen Semantik Heideggers. Auf die Frage nach der Allgemeinheit der philosophischen Begriffe folgt der Versuch, die Formalität der formalen Anzeige im Sinne ihrer Prinzipialität zu deuten. Dort wird ausgeführt, dass es in Heideggers Philosophie um das Prinzipielle geht und dass dieses Prinzipielle mit der Allgemeinheit des Seins verschmilzt. Formal anzeigende Begriffe zeigen das Sein des Seienden an; in diesem Sein kann das angezeigte Seiende „als es selbst“ erscheinen. Die formale Anzeige bringt das Sein zur Sprache.
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